Rheinberg – vor 100 Jahren

Geschichte und ein Stadtrundgang

Artikel aus „Niederrheinisches Museum“ vom 15. Juli 1925

“Rheinberg. im Mittelalter Berka genannt, war das starke Bollwerk des Niederstiftes Köln. 1008 bereits urkundlich erwähnt, wurde Rheinberg 1232 vom Erzbischof Heinrich von Molenark zur Stadt erhoben. Der seit dem Jahre 1280 erhobene Rheinzoll wurde teilweise für den Festungsbau verwandt und bildete jahrhundertelang eine ergiebige Einnahmequelle für Kurköln. Der Besitz der Stadt war viel umstritten. 1420 verpfändete Kurköln die Stadt für 17000 Goldgulden an Cleve, eine nochmalige Verpfändung für 35 250 Gulden fand im Jahre 1459 statt.

Nach der Erhebung Rheinberg zur Stadt im Jahre 1232 wurde der Mauerbau unter Erzbischof Heinrich I. in Angriff genommen. Der Ausbau der Festung zog sich bis ca. 1356 hin. erst um diese Zeit war die Stadtmauer mit ihren 21 Halbtürmen und die Stadttore fertiggestellt.

Rheinberg Marktplatz, Zeichnung von Reg. Baumeister Stahl, Düsseldorf, aus „Bilder aus der Grafschaft Moers und Umgebung“§ von Ottsen Stamm und Otto, Verlag Aug. Steiger, Moers, 1918

Nach vielen Schicksalsschlägen (1483 grassierte die Pest in Rheinberg; 1494 brannten 60 Häuser, der Kamperhof und die Kapelle ab) verstärkte Schenk von Nideggen 1555 die Stadt und versah sie mit Doppelgräben. Nun wechselte Rheinberg gar oft seinen Besitzer.

1583 eroberte Graf Adolf von Neuenahr und Mörs die Stadt;

1589 belagerten die Spanier die Stadt ergebnislos;

im gleichen Jahre eroberte der Herzog von Parma die Festung.

1590 ging Rheinberg an die Spanier,

1601 an die Oranier,

1666 wieder an die Spanier,

1633 wiederum an die Oranier über.

ununterbrochen wurde um den Besitz der Stadt gekämpft.

1672 erfolgte deren Uebergabe ohne Schwertstreich an Frankreich.

1689 bis 1701 besetzten die Holländer die Stadt,

1702 wurde sie von den Preußen blockiert und 1703 eingenommen.

1715 als Festung geschleift, wurde die Stadt an den rechtmäßigen Besitzer, den Kurfürsten von Köln zurückgegeben.

1760 Preußen besetzte wiederum Rheinberg;

1794 – in dem Revolutionsjahre 1794 erschienen die Franzosen und pflanzten den Freiheitsbaum auf. (lesen Sie bitte hierzu einen Absatz am Ende des Rheinberg-Artikels)

Seit 1815 blieb Preußen in dem Besitz der Stadt.

Ein geschichtlicher Rundgang durch die Stadt Rheinberg.

Vom Bahnhof gelangt man durch die Gelderstraße nach dem Holzmarkte. Einige Giebelhäuser(Ecke: ehemaliges Zeughaus mit Hausteinportal   zeigen die bürgerliche Bauart des 16. Jahrhunderts. Das Rathaus, ein niederrheinischer Backsteinbau des 15. Jahrhunderts, aus dem 1854 die Haustein=Fensterkreuze leider ausgebrochen wurden, ist verziert durch vertikale Lisenen, wie die Privathäuser in Xanten, Kalkar und Issum. Die Zwiebelhaube des Turmes, früher in einfacher spitzer Form, erhielt ihre jetzige Gestaltung im 17. Jahrhundert. Erbaut wurde das Rathaus laut Inschrift 1449: In het Jahr ons Heerr MCCCCLIX is dit Huys aengelagt op. 5. Barnabas Dag(2. Juni).

Dem Rathaus gegenüber befindet sich das Etablissement der weltbekannten Bitterlikörfabrik Underberg-Albrecht. Das Wohngebäude  in den Jahren 1869—1875 nach den Plänen des Prof. Ernst Giese, Aachen erbaut, ist wegen der in streng akademischen Formen gehaltenen, prachtvollen Architektur, besonders erwähnenswert.

Am Rheinberger Marktplatz aus heutiger Sicht (Foto Münchberg)

Der Marktplatz, früher auch nach der Ostseite geschlossen, weist städtebaulich die eigenartige Platzgestaltung der niederrheinischen Stadt auf. Quer über den Platz, an der alten Marktlinde und dem Kriegerdenkmal vorbei, gelangt man zur kath. Pfarrkirche.

Zuerst wird die Kirche 1107 urkundlich erwähnt als Erzbischof Friedrich I. die Kirche dem Kunibertsstift in Köln übereignete. Später unterstand die Kirche dem Patronat der Abtei Kamp. Turm und Mittelschiff entstammen dem rheinischen Übergangsstil und werden vor 1200 erbaut worden sein.Im Jahre 1400 errichtete man den gotischen Chor, dessen breite Strebepfeiler erhalten blieben, während die Außenmauern durchbrochen wurden. Erst unter der Herrschaft der Holländer(1633) wurde der Chor mit dem weiträumigen, durch eng aneinander gedrängte Fenster hell erleuchteten Umgang umgeben.

Das Innere der Kirche birgt reiche Schätze. Der Hochaltar, aus der besten Zeit der Kalkarer Schule (ca. 1450—1520) enthält über der Predella künstlerisch bedeutende Schnitzereien. Die zierlich durchbrochenen Arbeiten zeigen eine monumentale Schönheit der Zeichnung und technische Kühnheit. (Apostelfiguren usw.) Als bedeutende Skulptur ist die Pieta in der Taufkapelle, ein vortreffliches niederrheinisches Stück (ca. 1500), erwähnenswert. Kanzel und Orgelfassade sind in barocken Formen gehalten und entstammen dem 18. Jahrhundert. Die beiden Seitenaltäre gehören künstlerisch zu den besten Werken, die um 1890—1900 aus der Werkstatt von Langenberg, Goch, hervorgegangen sind. An bemerkenswerten Gemälden seien aufgeführt:

1. Drei Holztafeln an den Chorpfeilern (ca.1450), darstellend St. Anna. St. Joachim und die Madonna,

2. vier Holztafeln mit Passionsszenen,

3. ein vortreffliches, italienisches Gemälde (1550) über den Sakristeieingang, die hl. Familie darstellend,

 4. ein großes Altarbild in der Kapelle, eine vorzügliche Komposition nach Rubens.(Kreuzaufrichtung)

Die prachtvollen Glasgemälde der Kirche, nach den Kartons von Prof. Stummel, Kevelaer, wurden nach 1890 hergestellt und zeigen die Entwicklung dieses Kunstzweiges in den letzten Jahrzehnten.

Bild oben: Der Pulverturm wird vom Blitz getroffen, histor. Darstellung

Der Rest des Pulverturms, Foto Münchberg

Über den Wall gelangt man zum Pulverturm, der ehemals als Zollstätte den Rheinstrom beherrschte. Unter Erzbischof Westerburg(ca. 1292—1297) durch den Ritter Franco de Berka (Baumeister Henricus Lupus) erbaut,  bildete der sogenannte schwarze Turm kurkölnische Grenzfeste, gegen, Norden, wie in Andernach, der sogenannte weiße Turm, das Grenz-Wahrzeichen im Süden war. 1598 während der Belagerung wurde der Turm (ca. 25 Meter hoch, mit 4 Meter starken Mauern) zur Hälfte zerstört, nach der Wiederherstellung 1636 durch Blitz beschädigt und 1703 abgetragen. Die erhaltenen Reste zeugen von einem grandiosen Werk der Technik.

In unmittelbarer Verbindung mit dem Zollturm stand das 1293 erbaute kurfürstliche Schloß, von dem nur das sogenannte„vorderste Castell“, die jetzige Kellnerei (ursprünglich Getreidemagazin, später Wohnung des Schultheißen), noch steht. Die Kellnerei ist um 1573 erbaut. Das ehemalige Schloß, ein beliebter Aufenthalt der Erzbischöfe(aus dem„castro nostro Verkensi“, datieren viele Urkunden), diente als Wohnhaus des Burggrafen und war von der Stadt durch tiefe Wassergräben getrennt. Bei der Explosion 1598 wurde es so stark beschädigt, daß es größtenteils abgebrochen werden musste.

„Alte Kellnerei“ Foto Münchberg

Von der Kellnerei gelangt man am neuen Amtsgericht und an der höh. Mädchenschule vorbei, zum alten Rhein. An der Brücke befindet sich die 1626 erbaute Schleuse der Fossa  Eugeniana, ein befestigter Kanal, der Rhein und  Maas nach dem großzügigen Plan des spanischen Feldherren Ambrosius Spinola verbinden sollte.

Hier stehen noch deutlich sichtbar die Basaltmauern mit den Nischen für die Torflügel der Schleusenkammer, die die Schiffe vom Rhein zum Kanal heben sollten.

Von dieser Stelle aus sichtbar, ca. 20 Minuten vor dem Xantener Tor, die weit ausgedehnte Fabrikanlage der deutschen Solvay-Werke.

Über den Nord- und Westwall, durch grüne Kastanienalleen wandernd. umgehen wir wiederum einen Teil der Befestigung der Stadt, die an drei Stellen eine Katz, ein vorspringendes Bollwerk hatte. Die Mauern waren aus Basalt und Schavütten errichtet.

Nach der Erhebung Rheinbergs zur Stadt im Jahre 1232 wurde der Mauerbau unter Erzbischof Heinrich I. in Angriff genommen. Der Ausbau der Festung zog sich bis ca. 1356 hin, erst um diese Zeit war die Stadtmauer mit ihren 21 Halbtürmen und die Stadttore fertiggestellt.

1555 baute Schenk von Nideggen die Festung um und umgab sie mit doppelten Gräben und einem Ring von Bastionen und Ravelins. Belagerungen 1583, 1589, 1590, 1601, 1633. Im Jahre 1715 wurde die Festung durch Preußen geschleift.

Nach Westen sichtbar die St. Annakapelle, in der Nähe der römischen Heerstraße auf einer Schanze (zuerst 1555) erbaut. Die jetzige Kapelle, malerisch inmitten des Friedhofes gelegen, wurde 1774 vom Prälaten Dionysius Genger aus Camp eingeweiht; in gleicher Zeit wurde der Weg dorthin mit sieben künstlerisch in Sandstein gehauenen Doppelstationen geziert.

Über den Westwall weiter zum Südwall, auf der Ecke in der sog. Klosterweide hinter dem Elektrizitätswerk die „spanische Vallan“, ein turmartiges Gebäude, welches zum Andenken an eine glücklich überstandene Belagerung von der Bürgerschaft an dieser Stelle errichtet wurde. Vor dem Orsoyer Tor das neue moderne katholische Krankenhaus mit Isolierhaus und Anlagen, welche den Anforderungen der Neuzeit in jeder Beziehung entsprechen.

Vom Orsoyer Tor führt der Weg über den Südwall über die hochgelegene Katz mit schönem Blick auf die Pfarrkirche und das Pfarrhaus. Letzteres, ein typisch niederrheinischer Backsteinbau, wurde 1729 von dem Abt Stephan Broichhausen vom Kloster Kamp erbaut. Das Innere birgt zwei Tafelgemälde (S. Ursula und S. Elisabeth; angeblich Werkstattbilder von Viktor Dünwegge. Am Ende der Rheinstraße liegt die evangelische Pfarrkirche. 1694 als Betsaal erbaut; 1887 wurde der Turm errichtet. Der Kamper Hof in der Kamperstraße (1295 bereits erwähnt) wurde 1494 neu erbaut. Erhalten ist nur die einschiffige Kapelle mit Dachreiter, die später zu Wohnungen umgebaut wurde. An diesem Gebäude wurden 1890 die Versammlungsräume des katholischen Gesellenvereins angefügt.Von dem ehemaligen Kapuzinerkloster (1685 Kirchenneubau anstelle des Underbergschen Fabrikeinganges) sind keine baulichen Reste erhalten. Kümmerliche Reste sind auch nur noch in der Beginnenstr. von dem 1317 gegründeten Deutsch-Ordenshaus erhalten. 1593 wurde die Komthuren nebst Kirche ein Raub der Flammen. Ein Teil der Kapelle dient heute als Scheune(Besitzer G. Rosendahl). Rechts neben dem Deutsch-Ordenshaus lag das Kloster: S. Barbara-Garten(Gründung 1426), zu dessen Kirche 1468 der Grundsteingelegt wurde. Nur das zweistöckige Rektorat des 1809 aufgehobenen Klosters ist erhalten geblieben.

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Die Aufrichtung der Freiheitsbäume.

(Auszug aus: Bilder aus Moers und Umgebung, Ottsen, Stamm und Otto , 1918 Verlag Aug. Steiger Moers)

Die Regierung der Republik befahl, überall am Niederrhein Feiern zur Verherrlichung der französischen Siege zu veranstalten und Freiheitsbäume als Zeichen des aufblühenden Völkerglücks zu errichten. Eine hohe schlanke Tanne, an der man nur die oberen Zweige stehen ließ, wurde eingesetzt; auf der Spitze der

Tanne befand sich eine rote Freiheitsmütze, und ein Schild trug die Aufschrift: Ihr glücklichen Völker, die ihr bisher unter dem Joche der Sklaverei blutetet, freuet euch: gallische Brüder haben euch befreit und nehmen euch in den heiligen Bund der Brüderlichkeit auf.“

Die Soldaten, der Bürgermeister, die Ratsherren, die Bürger mit ihren Frauen,  alle mußten zugegen sein. Unter Musik, Trommelschlag und Freiheitsreden  wurde der Baum gepflanzt, und ein Ball, auf welchem die deutschen Mädchen mit den Landesfeinden tanzen mußten, beschloß die Feier. Nicht lange haben die Freiheitsbäume unsere Städte geschändet. In Mörs und Rheinberg fielen die Bäume  immer bei Nacht um, und endlich ließ man sie liegen; in Orsoy zersägte  man den Baum einfach.