Hansfried Münchberg
„hidden pictures – occulte werke“
Im Rahmen der seit Jahrzehnten gepflegten Werkreihe
( Hinterputzbilder, Unterpflastermalerei, Denkbilder )
wurde anlässlich des Burkhard Hennen Events 2019
die Sonderedition IMAGO 281 aufgelegt.


Unterpflaster-Bild

Projekt Unterpflasterbild
München – Landshuter Allee
Februar 1978
ort: münchen neuhausen, straßentunnel landshuterallee zwischen leonrodstr. und nymphenburgerstr.
thema: menschlicher wille, verstärkung und auslöschung durch überlagerung, vergänglichkeit bzw. unvergänglichkeit menschlicher zielstrebigkeit am beispiel verkehr.
beschreibung: parallel zur tunnelwand verlaufende linien in einer farbe. anzahl und abstand der linien ergeben sich aus breite und höhe des straßentunnels, spurbreite der fahrzeuge, die hier fahren werden, reifenbreite. diese parallel verlaufenden grundlinien stehen symbolisch für die unendlichkeit menschlichen strebens
interferenzlinien: von den ausgangspunkten der grundlinien verlaufen linien in gleicher breite, die zu in der jeweiligen fahrtrichtung liegenden fluchtpunkten zusammenlaufen. die fluchtpunkte stehen symbolisch für die ziele der verschiedenen verkehrsteilnehmer.
für jeden fluchtpunkt wird eine andere farbe gewählt, so daß sich ca. 50 verschiedene „linienschichten“ gegenseitig überlagern und überschneiden. der erste fluchtpunkt liegt in der bildmitte, symbolisch für den stand-(fahr-)punkt des jeweiligen verkehrsteilnehmers. der zweite gedachte fluchtpunkt liegt in höhe der kreuzung landshuterallee mit leonrodstr.aße bzw. landshuterallee/nymphenburgerstraße als symbol für die erste möglichkeit, die vorgenommene fahrtroute zu verlassen bzw. sie zu kreuzen. der dritte fluchtpunkt ist gedacht an der kreuzung landshuterallee/dachauer-straße bzw. kreuzung landshuterallee-/ bahnlinie auf der donnerberger brücke, symbolische grenzpunkte des stadtteils neuhausen, in dem das bild liegt.
warum unterpflastermalerei ?
einer der motoren menschlichen wollens ist die menschliche neugierde.
die menschliche phantasie befähigt den menschen dinge zu erdenken, die nicht wirklich sichtbar, aber eben denkbar sind. das denken des denkbaren befähigt den menschen, diese dinge letztendlich sichtbar und erfahrbar zu machen.
dadurch, daß das geplante bild mit asphalt überzogen wird, wird es unsichtbar gemacht. der bildbenutzer wird gezwungen sein, seine optische phantasie anzustrengen,um es vor seinem geistigen auge entstehen zu lassen.
ein weiterer grund, das bild mit asphalt zu überdecken ist der archäologische aspekt.
so wie in früheren zelten kunstwerke durch den müll der zivilisation verschüttet, oder von späteren generationen durch übermalung dem fortschritt angepasst wurden, soll hier, sozusagen im vorgriff, bevor das bild als“kulturgut“ benutzt werden kann, die zivilisation das bild überwuchern, überdecken.


„Wandbild für die Gronauer Feuerwehr“
Vorausschicken möchte ich, daß ich in Vilbel geboren bin. Genau an der Stelle, an der das heutige Feuerwehrhaus steht, habe ich meine allerersten Schritte gemacht. Meine Großeltern waren aus Hanau ausgebombt und haben in der Baracke auf dem alten Friedhof gewohnt, genau unter der riesigen Friedhofslinde, also im rückwärtigen Bereich des heutigen Feuerwehrhauses.Einen engeren Bezug zu dem Gelände werden wohl wenige Gronauer haben.
Meine enge Verbindung zu Gronau blieb über all die Jahre bestehen. Seit 10 Jahren habe ich zahlreiche Details zur Gronauer Historie zusammengetragen und diese umfangreiche Dokumentation auf der Homepage wwwgronau-hessen-nassau.de den Gronauern zur Verfügung gestellt. (Die Wetterauer Zeitung berichtete)
Im Vorfeld hatte ich so eine Ahnung, daß das neue Gebäude eher die charmante Anmutung einer tristen Werkhalle haben würde, es sich in Proportion, Stil, und Material keineswegs harmonisch in das Bild der historisch gewachsenen Umgebung einfügen würde.

Das neue Gronauer Feuerwehrhaus
Meine Vorahnung und wurde nicht enttäuscht, das Gebäude steht nun wie ein Klotz inmitten der alten Gronauer Bauernhäuser!
Damals hatte ich den Vorschlag unterbreitet, eine Fassaden-Gestaltung zu entwerfen. Mein Wissen um die Geschichte des Ortes Gronau wollte ich genauso in die Arbeit einfließen lassen wie Feuerwehrtypisches, das alte „Spritzenhäusi“ am Dalles, die Friedenslinde, den Gronaris-Sprudel und natürlich auch den Bezug zur neuen Form des Gebäudes.
Ein dreiviertel Jahr später bekam ich auf meinen Vorschlag die Antwort.
“ Die Gronauer Feuerwehr möchte keine Kunst an der Fassade“!
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Unsichtbares Bild für Gronau
Künstler will der Gronauer Feuerwehr ein unsichtbares Bild schenken.
Der in Bad Vilbel geborene, in Gronau aufgewachsene Maler und Grafiker Hansfried Münchberg will seiner Heimatgemeinde ein besonderes Geschenk machen. Genau an der Stelle, wo heute das Gronauer Feuerwehrhaus neu entsteht, hat der inzwischen in Moers am Niederrhein lebende Künstler vor 73 Jahren seine ersten Schritte ins Leben gemacht.
Münchberg erläutert zu seinen Beweggründen: „Obwohl schon Ewigkeiten woanders wohnend, empfinde ich mich immer noch als eingefleischter Gronauer. Meine Großeltern waren aus Hanau ausgebombt und haben in der Baracke auf dem alten Friedhof gewohnt, genau unter der riesigen Friedhofslinde, also genau da, wo heute das Feuerwehrhaus steht. Ich habe also meine allerersten Schritte genau auf diesem Boden gemacht. Einen engeren Bezug zu dem Gelände werden wohl wenige Gronauer haben.“ Als ich hörte, daß das Feuerwehrhaus neu gebaut werden soll, habe ich überlegt, meinen Gronauern dort an der Fassade zur Vilbeler Straße hin eine richtig schöne Fassadengestaltung vorzuschlagen.
Genaues Wissen um Gronau`s Geschichte
„Mein Wissen um die Geschichte des Ortes Gronau wollte ich in die Arbeit einfließen lassen. So sollte zum Beispiel schlaglichtartig das alte Spritzenhaus, die Friedenslinde, der Blick zum Feldberg und zum Gronarissprudel, den es einst genau von hier gab, eingearbeitet sein, ebenso wie Feuerwehrtypisches und natürlich auch den Bezug zur neuen Form des Gebäudes. „
Im April 2018 hat Münchberg diesen Vorschlag dem Gronauer Ortsvorsteher Karl-Peter Schäfer schriftlich unterbreitet. Mitte Dezember 2018 erhielt es von diesem die Nachricht „Der Vorstand der Freiwilligen Feuerwehr in Gronau zusammen mit der Wehrführung hat sich nach Abwägung des Vorschlages leider gegen ein Kunstwerk am Neubau des Feuerwehrgerätehauses entschieden.“
Nicht so schnell aufgeben
Doch Hansfried Münchberg will so schnell nicht aufgeben, so hat er erneut einen Vorstoß unternommen, seinen Gronauern doch noch ein Bild zu schenken. Dieses Mal hat er sich allerdings etwas ganz besonderes ausgedacht, er will ein Bild malen, daß keiner sehen kann. Diesen Vorschlag hat er unlängst ausgearbeitet und nun dem Bad Vilbeler Magistrat vorgeschlagen.
Ein Unterputzbild
Wir sprachen mit dem Künstler über diese ungewöhnliche Idee.
Herr Münchberg, Sie haben vor einigen Jahren Ihrer Heimatgemeinde Gronau ein großes Tafelbild geschenkt, das in der Kirche zu bewundern ist, nun haben Sie kürzlich dem Bad Vilbeler Bürgermeister Dr. Stöhr vorgeschlagen, ein unsichtbares Bild an der Fassade des Gronauer Feuerwehrhauses anzubringen.
Ist das als Scherz gedacht?
Münchberg: Nein, nein, es ist durchaus ernst gemeint. Ich arbeite schon seit den 80er Jahren immer wieder einmal an der Idee der „hidden pictures“, also der verborgenen Bilder. So habe ich vor einigen Jahren zum Beispiel auch in München ein „Unterpflasterbild“, mit großer Resonanz, vorgeschlagen.
Nun kam mir Gronau wie gerufen, zum Einen, weil ich ja wirklich einen sehr engen Bezug, genau zu dieser Stelle habe, ich habe mir hier jeden Quadratzentimeter meiner Kindheitswelt sozusagen auf Knien rutschend erobert, zum Anderen kam mir dabei entgegen, daß die Gronauer Wehr nun lieber dort überhaupt kein Bild haben will. Sie soll ihren Willen haben, also mache ich das Bild von vornherein unsichtbar.
Wie soll das denn vor sich gehen, was steckt hinter der Idee der „hidden pictures“?
Münchberg: Die Geschichte der Menschheit besteht ja darin, daß eine Kultur fast immer auf den Trümmern der vorhergehenden Kultur aufbaut, eine Schicht überdeckt die vorhergehende. Im Laufe der Jahrhunderte entstehen so wichtige Informationen, die der Nachwelt dadurch erhalten bleiben, daß sie von immer neuen Schichten überlagert werden. Heute holen Archäologen oft unter meterdicken Schuttschichten Relikte aus der Vergangenheit, die Aufschluss geben über das Leben vor tausend oder zweitausend Jahren. Dieses Verschütten der Kultur will ich in Form eines „Unterputzbildes“ vorwegnehmen.
Unterputzbild, haben wir bisher noch nicht kennen gelernt, was muss man sich darunter vorstellen?
Münchberg: Ich male mein Gronau-Bild auf die rohe Fassade, jedoch vor den Blicken der Öffentlichkeit verborgen. Ich werde dies mit großer Ernsthaftigkeit und allen meinen malerischen Fähigkeiten tun. Schließlich habe ich lange Jahre an der Münchener Akademie der bildenden Künste studiert, war Meisterschüler, habe inzwischen 40 Berufsjahre auf dem Buckel. Ich habe in München U-Bahnstationen und lange Fußgängerunterführungen gestaltet. Ich glaube also nachgewiesen zu haben, ich kann das ganz gut.
Sie malen hinter einer Plane versteckt, niemand kann sehen was Sie malen, wie geht es dann weiter?
Münchberg: Sobald die aufgetragenen Farbe getrocknet ist, wird sie mit einer Putzschicht überdeckt, das Bild also für den Betrachter unsichtbar.
Aber dann können Sie doch gleich ganz darauf verzichten, dort ein Bild zu malen, wenn es gar keiner sehen kann.
Münchberg: Die Gronauer werden dann wissen, daß unter der glatten Fassade ein Bild ist. Ich hoffe sie werden versuchen sich vorzustellen, was da wohl gemalt sein könnte.
Die vorbeigehenden Betrachter werden vor ihrem inneren Auge eine eigene Vorstellung eine Bildes entwickeln. Wie könnte es wohl aussehen, was ist drauf?
Damit habe ich meine Absicht schon erreicht, der Betrachter wird eigenschöpferisch tätig, wenn ein Bild in seiner Imagination entsteht.
„Imago“ nannten alten Römer die Wachsabformungen der Totenmaske, diese wurden in den Häusern aufgehängt, um an das Vorhandensein des Nichtvorhandenen, an die Idee des Gewesenen zu erinnern. Dieses Imago, also die Erinnerung an das verschwundene Gronau hervorzurufen, das ist genau meine Absicht.
Was wäre dazu geeigneter und spektakulärer, als eines der ersten Unterputzbilder der Welt, noch dazu in meiner Heimat, in Gronau!
Herr Münchberg, wir sind etwas verwirrt, aber wir danken für das Gespräch
Das Interview führte Alois Zwockl