Pumpennachbarschaft und Pumpenkirmes

Ein Beitrag aus „Der Grafschafter vom 2.9.1924

Pumpenkirmes.
Die Überschrift wird bei vielen Mörser Bürgern freundliche Erinnerungen wachrufen an die Bürgerfestlichkeiten, die früher — in einzelnen Stadtteilen bis kurz vor dem Weltkrieg— nach althergebrachter Sitte die Nachbarschaft in harmlos fröhlicher Geselligkeit alljährlich vereinte. Jahrhundertelang war die Bürgerschaft der Stadt Mörs— ähnlich wie auch in anderen Städten— in Nachbar- und„Korporalschaften“ eingeteilt, die sich um die öffentliche Pumpe gruppierten. An der Spitze der Korporalschaft standen gewählte Bürgeroffiziere (Pumpenoffiziere). Es wurde ferner ein Pumpenmeister gewählt und man hatte Kadetten(?). Die Nachbarn mussten einander bei Feuersgefahr und Wassersnot hilfreich zur Seite stehen und bei Todesfällen die Leiche zum Kirchhof tragen. Von diesem Leichenträgerdienst konnte man sich durch einen bestimmten jährlich zu zahlenden Geldbetrag loskaufen und aus dem so entstehenden Fonds wurden arme Träger honoriert. Die Kosten für Unterhaltung der Pumpen, für ihren Schutz gegen Frost, für ihre Beleuchtung usw. wurden durch Umlage, und besondere Beiträge aufgebracht. Neuzugezogene zahlten Eintrittsgeld. Wechselte ein zur Pumpengenossenschaft (Nachbarschaft) gehöriges Haus seinen Besitzer, sei es durch Erbgang oder Kauf, dann hatte der neue Eigentümer ein Fäßchen Bier zu geben bzw. ein oder zwei Taler in die Korporalschaftskasse zu zahlen. Ähnlich galt es bei Neubauten oder anderen Gelegenheiten.
Im Anschluß an die jährliche Abrechnung wurde die sogenannte Pumpenkirmes gefeiert, d. h. man veranstaltete für die Männer einen Bierabend, bei dem in späteren Jahren Wein keineswegs nicht getrunken wurde, auch wohl mit Fischessen und, wenn noch Mittel übrig blieben oder besonders gestiftet wurden, für die Frauen eine Kaffeevisite, zu der evtl. eine der Nachbarinnen, die im glücklichen Besitz eines genügend großen Zimmers war, dieses zur Verfügung stellte.
Bei solchen Gelegenheiten saßen dann Hoch und Niedrig einträchtig beieinander, der Herr mit dem Knecht, Mevrouw und Madame mit der Handwerker= und Tagelöhnersfrau. Alle freuten sich miteinander ihres Daseins und ihrer Zusammengehörigkeit. Und mancher böse Nachbar entpuppte sich als ein so umgänglicher Mensch, daß das Kriegsbeil begraben werden konnte.
Unzweifelhaft hatten die Einrichtungen einen großen Wert für die Stärkung des Sinnes und des Gefühls für die Gemeinschaft und Heimat. Sie weckten ferner das Interesse für gemeinsame Angelegenheiten und hoben durch die unmittelbare Teilnahme des einzelnen an der Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens und da jeder den kleinen Belang zu überschauen vermochte, das Verantwortungsgefühl.
Es ist zu bedauern, daß dergleichen untergeht mit der fortschreitenden Kultur und mit den Verbesserungen einer großzügigen Zeit, die vielfach das Kind mit dem Bade ausschüttet. Mit dem Bau einer zentralen Wasserversorgung und dem Anschluß der einzelnen Häuser an diese glaubte man, keiner öffentlichen Brunnen mehr zu bedürfen. Aber es hätte nicht geschadet, wenn man die Pumpengemeinschaften veranlaßt hätte, da oder dort in Mörs einen öffentlichen Brunnen zu errichten. Damit würden Wanderer und andere Menschen sowie Tiere auf der Straße ebenso wie früher ihren Durst stillen können.
Der weite Weg zu den entfernter gelegenen Friedhöfen hat die Einführung von Leichenwagen notwendig gemacht und den patriarchalisch-nachbarlichen Träger aussterben lassen. Da aus der früher bodenständigen Mörser Einwohnerschaft eine fluktuierende geworden ist und daher die Nachbarn so häufig wechseln, daß sie sich kaum, ja oft gar nicht kennen lernen, gibt es überhaupt kaum noch Nachbarschaften im Sinne der guten alten Zeit.
Die Gegenwart bietet uns keinen Ersatz für solche Genossenschaften, die ohne Rücksicht auf religiöse und konfessionelle Stellung des einzelnen und frei von Erwerbs= und Parteipolitik alle Stände und Berufe zu friedlichem Tun in sich zusammenführte. Aber es existieren in Mörs noch Akten( Protokollbücher, Rechnungen, Statuten und dergleichen) der alten Korporalschaften. Um diese vor dem Untergang zu bewahren, werden die noch lebenden ehemaligen Bürgeroffiziere (Pumpenoffiziere) und Kadetten bzw. deren Nachkommen aufgefordert, diese Papiere in den rettenden Hafen des Grafschafter Museums, wenn auch nur leihweise, für kürzere Zeit landen zu lassen. Hoffentlich findet sich dann bald ein des Geschichtsfachs kundiger Forscher, der die alten Schätze studiert und eine interessante Feder, die uns über die Geschichte der Korporalschaften und ihr Wesen zu den verschiedenen Zeiten Bericht erstattet.


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